Alles zum Thema Automatikgetriebeöl (ATF)

Das Automatikgetriebeöl und seine Entwicklung

Synonym zum Begriff des Automatikgetriebeöls wird, nicht nur im deutschsprachigen Raum, auch häufig die Abkürzung „ATF“, welche für „Automatic Transmission Fluid“ steht, verwendet. So dürfte vielen Lesern, vor allem jenen, die ein amerikanisches Fahrzeug besitzen, die Freigabe „ATF+4“ ein Begriff sein. Doch wo liegt eigentlich der Ursprung des ATF? Welches war das erste und ist nicht eigentlich doch in jeder Flasche dieselbe Flüssigkeit enthalten? Wir wollen versuchen diese Fragen zusammen zu klären und müssen dazu zunächst eine kurze Reise zurück ins Jahr 1939 unternehmen, um den Ursprung des ATF zu ergründen:

Das "Hydra-Matic Modell 180" wurde im Jahr 1939 als erstes vollautomatische Getriebe für Pkw entwickelt und ein Jahr später im „Oldsmobile“, einer damaligen Marke der General Motors Company, eingeführt. Die Weiterentwicklung - das Modell 250 - wurde 1941 erstmals von Cadillac eingesetzt. Diese Autos kamen ohne Kupplung aus.

Einer der Hauptgründe für die Entwicklung eines Automatikgetriebes war die Sicherheit. Als revolutionär galt damals, dass der Fahrer dem Straßenverkehr mehr Aufmerksamkeit schenken konnte, während er sich nicht gleichzeitig auf die Koordination der Kupplungsbetätigung und des Ausrückens mit dem Handschalthebel konzentrieren musste.

Herausforderungen an das Automatikgetriebeöl

Probleme mit dem Getriebe, die, wie sich später mit fortschreitender technischer und wissenschaftlicher Entwicklung herausstellte, hauptsächlich durch den Mangel an Additiven verursacht wurden, führten zur Entwicklung eines speziellen Öls, ausschließlich zu Verwendung im Hydra-Matic Getriebe. Diese neuartige Flüssigkeit mit besseren Tieftemperatureigenschaften war das erste ATF, wie wir es heute kennen. Von nun an nahm der technischen Fortschritt rasant an Fahrt auf:

Der im Jahr 1948 entwickelte Drehmomentwandler ersetzte in Buicks Dynaflow-Getrieben die bisher verwendeten, simpleren Flüssigkeitskupplung. Da es hier aber gleichzeitig zu einer höheren Wärmeentwicklung kam, war wiederum eine verbesserte Flüssigkeit erforderlich.

GM führte 1949 die "Type A" ATF-Spezifikation ein, die im Jahr 1957 wieder durch die "Type A, Suffix A" Spezifikation (TASA) abgelöst wurde. Viele andere Automobilhersteller verwendeten ebenfalls diese Flüssigkeiten in ihren Automatikgetrieben, bis Ford im Jahr 1960 und Chrysler im Jahr 1964 ihre eigenen Flüssigkeiten und Spezifikationen einführten.


1967 stellte GM die im Vergleich zur „Type A, Suffix A abermals verbesserte und an die gestiegenen Anforderungen angepasste DEXRON Spezifikation vor. Noch heute ist uns diese Spezifikation in ihrer inzwischen entstandenen Vielzahl an Entwicklungsstufen, ein Begriff.

Zu allen Automatikgetriebeölen

Die Technik eines ATF´s

Doch springen wir einen Schritt zurück und betrachten das Automatic Transmission Fluids (ATF) einmal aus technischer Sicht:
Es ist eine komplexe Mischung aus Grundöl und Chemikalien, die abschließend dazu führen, dass das Öl zur Arbeit bei einer Vielzahl wesentlicher Aufgaben in einem Automatikgetriebe beitragen kann: Hier wird die Übertragungsleistung von Kraft im Drehmomentwandler verrichtet. Daneben wird hydraulischer Druck, sowie das richtige Reibungsprofil zur Betätigung der Platten-, Band- und Wandlerkuplung, aufgebaut. Lager, Getriebe und Buchsen werden geschmiert und zuletzt wird Wärme aus dem Getriebe abgeleitet.

Automatikgetriebe arbeiten dabei normalerweise bei Betriebstemperaturen von 70°C bis 95°C. Mit der Verrichtung ihrer Arbeit beginnen müssen sie, je nach Einsatzgebiet, teilweise hingegen schon bei Temperaturen von -40°C.

ATFs müssen schon bei niedrigen Temperaturen möglichst fließfähig sein, bei hohen Temperaturen eine hohe Beständigkeit gegen thermischen und oxidativen Abbau aufweisen, sich nicht korrosiv gegenüber allen Getriebekomponenten verhalten, schaumbeständig sein und spezielle Reibungs-, Verschleiß- und Scheuerfestigkeitseigenschaften aufweisen. Um dies zu erreichen, können sie bis zu 15 verschiedene chemische Additive, sowie synthetische, konventionelle oder speziell raffinierte Grundöle enthalten.

Zu den Additiven in ATF´s gehören neben Reibungsmodifikatoren verschiedene Antioxidantien, die die Oxidation in verschiedenen Stadien hemmen, sowie Schauminhibitoren, Pourpoint-Depressiva, Dispergiermittel, um das Getriebe sauber zu halten, und Viskositätsverbesserer, um eine ausreichende Viskosität bei hoher Betriebstemperatur zu gewährleisten.

In den 1960er und 1970er Jahren unterschieden sich die Reibungseigenschaften der Ford und GM-Flüssigkeiten erheblich. Ford bevorzugte den sogenannten "hard shift", einen raueren Schaltvorgang, mit schnellem, präziseren Einkuppeln. Dies erforderte einen höheren statischen Reibungskoeffizienten als den dynamischen. Reibungsmodifikatoren wurden in den verwendeten Flüssigkeiten nicht eingesetzt.

Die Getriebe von Toyota und Borg Warner bedienten ähnliche Vorlieben. GM, Chrysler und andere Hersteller bevorzugten ein weicheres Schaltgefühl mit längeren Einkuppeln von Kupplungen und Bänder. Dies erforderte Getriebeflüssigkeiten mit einem statischen Reibungskoeffizienten, der niedriger ist, als der dynamische Koeffizient. In dieser Art des Automatikgetriebeöls sind Reibungsmodifikatoren erforderlich. Bis 1987, als Ford die Mercon-Spezifikation einführte, hatten alle namhaften Hersteller Ihr eigenen Flüssigkeiten entwickelt, die die jeweiligen ATF Anforderungen erfüllten: Neben Fords MERCON aktualisierte GM mit DEXRON II und Dexron III ihre Spezifikationen, Chrysler führte mit der MS 7176 Freigabe das ATF+3 Automatikgetriebeöl ein und Toyota hatte die T-IV Spezifikation eingeführt.

Diese Öle wurden allgemein als "DEXRON/MERCON"-Flüssigkeiten bezeichnet. Dies setzte sich bis in die 1990er Jahre fort, als die Spezifikationen für Lock-up Drehmomentwandler, CVT, Transaxle und "fill-for-life"-Anwendungen entwickelt und verbessert wurden.

Bis zu diesem Zeitpunkt gab es Bemühungen japanischer und amerikanischer Automobilhersteller, eine universelle ATF-Spezifikation zu entwickeln, die nun aufgegeben wurden, denn Mitte der 1990er Jahre begannen die Spezifikationen mit dem MERCON V von Ford, 1998 mit der Chysler MS 9602 Freigabe und der Einführung des ATF+4 von Daimler Chrysler und 1999 mit dem TES-295 von Allison stark zu divergieren.

Diese neuen Öle hatten deutlich bessere Fließeigenschaften bei niedrigen Temperaturen. Insbesondere neuartig war jedoch, dass Oxidationsstabilität und Reibungseigenschaften auf die individuellen Getriebekonstruktionen abgestimmt wurden. Einige dieser Freigaben, insbesondere die Daimler Chrysler MS 9602, erforderten proprietäre Testverfahren zur Qualifizierung der Flüssigkeiten.

Keine der nun noch auf dem Markt befindlichen Automatikgetriebeöle konnte alle geläufigen Spezifikationen erfüllen. Auch mit der fortentwickelten Additivtechnologie war es nicht mehr möglich, DEXRON/MERCON-Flüssigkeiten auf alle Anforderungen dieser neuen Spezifikationen auszurichten und diese zu erfüllen.

 

Moderne Automatikgetriebeöle (ATF´s)

Heute werden in Automatikgetrieben elektronische Steuerungen eingesetzt, die verbesserte Tieftemperaturströmungen erfordern. Eine bessere Oxidationsstabilität und niedriger Temperaturfluss erfordern zwangläufig den Einsatz besserer Grundstoffe. Konventionell raffinierte Basisöle können diese Tieftemperaturanforderungen allein, auch unter hohem Einsatz von Additiven, nicht mehr erfüllen. Die Hinzugabe größerer Mengen an sogenannten „Premium-Hydrofinished“ (Gruppe II), „HVHI“ (Gruppe III) und „Polyalphaolefin“ (Gruppe IV) Grundölen, teilweise auch die ausschließliche Verwendung selbiger, ist erforderlich.

Diese Premium Grundöle benötigen nicht so viel teures Antioxidationsmittel, um die Anforderungen an die Oxidationsstabilität der neueren ATFs zu erfüllen. Sie enthalten deutlich weniger oder gar keine Wachse, sodass die Erfüllung der Niedrigtemperaturanforderungen wesentlich einfacher und kostengünstiger zu gewährleisten ist.

Inzwischen gibt es oftmals ein spezielles Öl für ein Getriebemodell. Auf technische Änderungen folgen Schmierstoffwechsel oder deren Weiterentwicklung. Außerdem werden die Flüssigkeiten immer häufiger so konzipiert, dass eine „lebenslange Befüllung“ möglich ist.

Im Jahr 2004 stellte Ford das „MERCON SP“ vor, welches ausschließlich für den Einsatz in Sechsgang-Getrieben für den Hinterradantrieb konzipiert ist. Diese Flüssigkeit ist nicht kompatibel mit anderen Ford Getrieben. 2005 hat GM seine DEXRON III-Spezifikation auf die "H"-Version umgestellt. Im Vergleich zu den DEXRON/MERCON-Flüssigkeiten der 1990er Jahre haben Daimler-Chryslers ATF +, GMs Heavy Duty TES-295, Dexron III H und Fords MERCON SP eine deutlich bessere Oxidationsstabilität. DEXRON III H und MERCON SP weisen eine bessere Schüttel- und Reibungsbeständigkeit auf. Mit ATF+4, TES-295 und MERCON V ist insbesondere die Scherstabilität nochmals verbessert worden.

 

Automatikgetriebeöl T-IV und WS-ATF von Toyota

Toyota ATF WSIm Jahr 2003 veröffentlichten Toyota und zwei japanische Ölkonzerne die Entwicklung eines "Fuel Economy" ATF. Ein verringerter Kraftstoffverbrauch wird hier durch das Absenken der Anfahrviskosität der Flüssigkeit erreicht. Die Langlebigkeit der Kupplungswerkstoffe und die Ermüdungsbeständigkeit der metallischen Getriebekomponenten werden dadurch erhalten, dass die Langzeitviskosität der Flüssigkeit auf dem gleichen Niveau wie die der aktuellen Flüssigkeiten gehalten wird.

Mit der Vorstellung deren Entwicklung wurden auch Tests veröffentlicht, die zeigten, dass die Gesamtleistung des als "WS" bezeichneten ATF mit dem Toyota T-IV ATF mindestens gleichwertig ist. Die Oxidationsstabilität des WS-ATF ist besser als die des T-IV. Das kraftstoffsparende WS-ATF wird von Toyota für das Sechsgang-Automatikgetriebe Aisin AW für Fahrzeuge mit Hinterradantrieb empfohlen.